In Japan wirst du eines Tages vor einem Tempel stehen und ihn besichtigen wollen. Doch welche Regeln gibt es? Wie machst du alles richtig und was bedeuten all die Rituale und Glücksbringer? Folge uns doch zu einem kleinen Ausflug in die japanische Tempelkultur.


Was ist ein Tempel?

Kinkakuji Tempel, Kyoto

In Japan glaubt man neben dem Buddhismus, der von China/Korea den Weg nach Japan fand, auch an den Shintoismus. Beide Religionen existieren friedlich nebeneinander. Ab dem 7. Jahrhundert wurden in Kyoto, Kamakura und Nara erste Tempelanlagen errichtet.

Besagte Tempel sind Bauten, um Buddhismus zu zelebrieren. Wichtige Elemente sind Pavillons, Pagoden und Hallen, in denen Heiligtümer und Sutren (Lehrsätze) aufbewahrt, Wissen vermittelt und Gebete vorgetragen werden.

Tempelarten

In ganz Japan gibt es verschiedene Tempel-Stile, die sich grob in diese Gruppen einteilen lassen:

#1. Japanischer Stil 和様

Byodoin Tempel, Kyoto

Im 6. Jahrhundert vermischte sich der aus China stammende Buddhismus mit japanischen Einflüssen. Die japanischen Tempelgebäude jedoch wirken leichter als chinesischen „Originale“. Zusätzlich wurden mehrstöckige Pagoden aus Holz errichtet.

Chureito Pagode, Fujiyoshida

Diese Pagoden stellen das Abbild der Grabstätte Buddhas dar und haben verschiedene Formen und Stile:

#2. Daibutsu-Stil 大仏様

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Todaiji Tempel, Nara

Nachdem der Tempel Todai (Nara) in der Heian-Zeit (794-1192) zerstört wurde, entschied man sich, ihn im sogenannten Daibutsu-Stil (Stil des Großen Buddha) wieder aufzubauen, der gerade in China in Mode gekommen war. Bekannte Daibutsu-Tempel sind:

#3. Zen- oder Chinesischer Stil 書様

Engakuji Tempel, Kamakura

In der Kamakura-Zeit (1185-1333) erreichte Japan der Zen-Stil, der sich kaum vom „japanischen Stil“ abhebt. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal ist, dass es keine Pagoden gibt. Berühmte Zen-Tempel sind:

Der Tempelbesuch

Niomon des Zenkoji Tempel, Nagano

Als erstes wirst du auf ein großes Tor (門; Mon) treffen. In größeren Toren findest du auf jeder Seite Wächter, die böse Geister abhalten sollen.

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Nio – Wächterstatuen

Eine der Statuen hat einen geöffneten Mund, was den Anfang darstellen soll. Die andere Statue hält den Mund geschlossen, was das Ende darstellt. Interessanterweise findest du diese Symbolik auch im Shintoismus. Gleich hinter den Figuren triffst du auf eine Waschstelle:

Die Reinigung

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Temizuya – Brunnen

Vor einem Gebet solltest du dich symbolisch reinigen, um Buddha dein Anliegen sauber vorzutragen. Das Wasser fließt meist aus Drachen, weil sie in Japan Wassergötter sind. Nehme die Kelle und reinige dich folgendermaßen:

  • #1. Wasche die linke Hand.
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  • #2. Wasche die rechte Hand.
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  • #3. Fülle Wasser in die linke Hand und wasche deinen Mund.
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  • #4. Wasche die linke Hand erneut.
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  • #5. Wasche die Kelle.
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Beachte: Berühre bei der Reinigung die Kelle nicht mit den Lippen oder werfe Münzen in den Brunnen! Im Anschluss trittst du an einen Weihrauchkessel.

Der heilende Weihrauchkessel

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O-Koro – Weihrauchkessel

Er soll, zusammen mit Weihrauchstäbchen, heilenden Kräfte besitzen. Auch hier gibt es ein bestimmtes Ritual:

  • #1. Werfe 50/100 Yen Stück in die Kiste.
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  • #2. Nimm ein Weihrauchstäbchen.
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  • #3. Zünde das Stäbchen an.
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  • #4. Stecke das Stäbchen in den Sand.
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  • #5. Lösche die Flamme mit einer Handbewegung.
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  • #6. Wehe den Rauch in Richtung der zu heilenden Stelle.
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Falls du also ein Gebrechen hast, aktivierst du mit diesem Ritual deine inneren heilenden Kräfte. Danach gehst du weiter zum Hauptgebäude, um dein Gebet (Wunsch oder Danksagung) vorzutragen.

Das Gebet

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Hondo – Haupthalle

Auch das Beten folgt einem bestimmten Ritual. Falls nicht anders angegeben, halte dich an diesen Ablauf:

  • #1. Werfe ggf. eine 5 Yen Münze in die Kiste.
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  • #2. Verbeug dich ein wenig.
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  • #3. Falls vorhanden, läute die Glocke zwei oder drei Mal, um die Aufmerksamkeit der Götter auf dich zu lenken.
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  • #4. Falte deine Hände, verbeug dich und trage still dein Anliegen vor.
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  • #5. Am Ende deines Gebets bedanke dich still bei Buddha.
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  • #6. Verbeuge dich erneut.
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Nun hast du dein Anliegen erfolgreich mitgeteilt. Beachte: Im Gegensatz zu einem Schreingebet wird beim Tempel nicht geklatscht! Falls du das Anliegen lieber aufschreiben möchtest, kannst du das auf folgenden Holzbrettchen – den Ema – erledigen.

Wünsche äußern

Die Holzbretter Ema えま

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An den Verkaufsständen von Tempeln oder Schreinen gibt es Ema für ~500 Yen, die meist mit dem Logo des jeweiligen Tempels/Schreins (Kigan-Ema) oder dem aktuellen Tierkreiszeichen (Eto-Ema) versehen sind. Auf die Tafel schreibst du deinen Wunsch oder deine Danksagung. Die Holztafel nimmst du entweder mit nach Hause oder bringst sie an diesen Wänden des Tempels an:

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Wenn die Wände voll sind, werden die Ema abgeschnitten und verbrannt, so dass die Wünsche und Danksagungen in den Himmel aufsteigen. Übrigens ist hier die Sprache egal, weil Buddha alle Sprachen versteht. Eine weitere Möglichkeit, dein Anliegen vorzubringen, ist die Briefschreibung.

Der Wunschbrief Kiganbun 祈願分

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In solch einen Brief formulierst du deine Wünsche, Träume und/oder Danksagung. Die Sprache ist ebenfalls egal. Wenn du den Brief geschrieben hast, steckst du ihn mit einigen Münzen in einen Umschlag und wirfst ihn in diese Kiste (祈願文納箱):

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Nach dem Einwurf verbeugst du dich. Und fertig!

Wenn du dich noch genauer umschaust, werden dir folgende kleine Beutelchen an den Verkaufsständen auffallen.

Glücksbringer

Die Talismane O-Mamori お守り

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Diese kleinen Beutel sind Talismane und schützen ihre Träger vor allerlei Unheil. Im Innern des Beutels befinden sich Zettel, die mit heiligen Sprüchen versehen sind. Bitte öffne den Beutel nicht, weil sonst die Wirkung verfliegt.

Eventuell findest du noch eine Vitrine mit noch mehr Glücksbringern.

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Die Glücksbringer kosten um zwischen 500 und 1.500 Yen (~11,50 €). Schauen wir uns an, wofür die Glücksbringer stehen:

  • 安産 Anzan – Sichere Geburt
  • 病気平癒 Byokheiyu – Gute Besserung
  • 旅行安全 Ryokou-Anzen – Gute & sichere Reise
  • 開運 Kaiun – Mehr Glück
  • 必勝 Hissho- Sicherer Sieg
  • 交通安全 Koutsuu-Anzen – Sicherer (Auto-)Verkehr
  • 厄除 Yakujo – Übel abwenden
  • 相和 Souwa – Liebe (gut miteinander auskommen)
  •  福 Fuku – Glück
  • 縁結 Enmusubi – Hochzeit
  • 就職成就 Shuushoku-Jouju – Arbeit finden
  • 合格成就 Goukaku-Jouju – Test bestehen
  • 学業神殿 Gagyou-Shinden – Für die Schule lernen (Tempel)
  • 学業錦 Gagyou-Kin – Die Schule/Prüfung bestehen
  • 児童健全 Jidou-Kenzen – Gesundheit vom Kleinkind
  • 心身健全 Shinshin-Kenzen – Gesundheit von Körper und Geist

Nachdem du dich für einen Glücksbringer entschieden hast, sagst du an der Kasse einfach den japanischen Namen und fügst O-Mamori zu dem Wort dazu.

Nach dem Bezahlen nimmst du deinen Glücksbringer mit beiden Händen in Empfang. Übrigens eignen sich solche Glücksbringer als Mitbringsel für Freunde und Familie daheim. Für ganze Firmen oder Geschäfte gibt es übrigens auch einen Art Wächter, der Ofuda auf Japanisch heißt:

Der Wächter – Ofuda 神符

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Der Wächter ist mit dem Logo des Tempels und dessen Götter gekennzeichnet. Sie sind häufig aus Holz oder Papier und werden in Läden, Häusern oder Firmen aufgestellt. Die günstigsten gibt es ab 500 Yen (~3,80 €). Die für Firmen können auch mal locker 50.000 Yen (~383 €) kosten.

Eine Übersicht verfügbarer Wächter:

  • 家内安全 Kanai-Anzen – Sicherheit der Familie
  • 商売繁昌 Shoubai-Hanjou – Gute Geschäfte (Laden)
  • 初宮 Hatsumiya – Geburt eines Kindes
  • 社運隆昌 Shaun-Ryushou – Gute Geschäfte (Firma)

Die eben genannten Wächter kannst du natürlich auch in verschiedenen Größen kaufen:

  • 車用 Kuruma-You – Für das Auto – ab 3.000 Yen
  • 神府 Ofuda – Wächter – ab 5.000 Yen
  • 中神府 Naka-Ofuda – Mittlerer Wächter – ab 10.000 Yen
  • 大神府 Dai-Ofuda – Großer Wächter – ab 30.000 Yen
  •  特別神府 Tokubetsu-Ofuda – Spezieller Wächter – ab 50.000 Yen

Beliebt sind die Wächter für das Auto, weil sie vor Unfällen schützen sollen.

Spiritueller wird es bei den sogenannten Omikuji:

Die Wahrsagerei – Omikuji おみくじ

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Wenn du ein Schränkchen mit vielen Fächern entdeckst, bist du bei den Omikuji gelandet. Vor dem Schränkchen steht eine kleine Box, mit deren Hilfe du dein Glück wahrsagen lassen kannst. Der Ablauf läuft folgendermaßen:

  • #1. Werfe 100 Yen in die vorgesehene Schlitz neben dem Schrank.
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  • #2. Schüttele die sechseckige Box und ziehe einen Stift mit einer Nummer heraus.
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  • #3. Merke dir die japanische Nummer und suche die passende Schublade mit den gleichen Zeichen heraus.
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  • #4. Hol dir den obersten Zettel aus der Schublade.
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  • #5. Öffne den Zettel und lies deine Wahrsagung.
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  • #6. Falls du kein Japanisch kannst, drehe den Zettel um. Häufig steht auf der Rückseite eine englische Übersetzung.
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Diese Sprüche sollen deine Zukunft voraussagen und werden in sieben Kategorien eingeteilt:

  • dai-kichi (大吉) – Große Segnung
  • chuu-kichi (中吉) – Mittlere Segnung
  • sho-kichi (小吉) – Kleine Segnung
  • kichi (吉) – Segnung
  • sue-kichi (末吉) – Ende der Segnung
  • kyo (凶) – Fluch
  • dai-kyo (大凶) – Großer Fluch

Jede Kategorie unterhalb der Segnung solltest du sofort an eine Wand bzw. Baum binden, um das Übel noch abzuwenden:

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Wenn die Wand voll ist, werden die Zettel verbrannt und somit auch alles Übel vernichtet. Gerade an Neujahr gibt es gleich mehrere Zettelwände, die jeden Tag verbrannt werden. Beachte: In kleineren Tempeln sind die Omikuji-Wahrsagungen leider nur auf Japanisch.

Wenn dieses Schild auftaucht, bedeutet das Folgendes:

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Das Siegelbuch mit Goshuin 御朱印

Hier kaufst du dir ein leeres Buch (Goshuincho), in welches du rote Siegel von Tempeln/Schreinen eintragen lassen kannst.

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Das Buch kostet zusammen mit dem Siegel 1.000 Yen. Wenn du es aufklappst, siehst du das Siegel vom Tempel/Schrein und das Datum. Mit dem Goshuincho begibst du dich während deiner Japanreise auf Siegeljagd.

An jedem größeren Schrein oder Tempel gibt es Siegel für das Siegelbuch, das extra per Hand (!) eingetragen wird. Das kostet meist zwischen 300~400 Yen. Das begehrteste Siegel stammt übrigens vom Berg Fuji.

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Tipp: Wenn du keine Schriftzeichen lesen kannst, schreibe dir daneben, wie der Schrein/Tempel hieß und das Datum. Außerdem kann eine wasserabweisende Hülle oder ein Gefrierbeutel für das Buch nützlich sein, wenn man Wasser im selben Rucksack transportiert.

Beachte, dass in dieses Goshuincho nur handsignierte Siegel oder Stempel gehören. Manche Tempel weigern sich hineinzuschreiben, wenn dein Buch kostenlose Stempel aufweist, den du ebenfalls auf dem Gelände findest:

Der kostenlose Stempel

Häufig ist er sogar angekettet, weil er ein beliebtes Diebesgut ist!

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Daneben findest du ein Stempelkissen. Auch damit lässt sich das Siegelbuch mit den roten Goshuin füllen.

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Jeder Tempel oder Schrein hat einen eigenen kostenlosen Stempel, die hübsch verziert ist. Auch der Stempel weist das aktuelle Tagesdatum aus. In Japan wirst du auch an Bahnhöfen oder Sehenswürdigkeiten auf diese Stempel stoßen.

Die heilige Glocke Bonsho 梵鐘

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Wenn du es über Neujahr nach Japan schaffst, solltest du dich zum Jahreswechsel in einem Tempel einfinden. Am Abend wird nämlich die heilige Glocke Bonsho 108 Mal geschlagen und überbrückt somit die 108 irdischen Sünden. Der warme und tiefe Klang ist über weite Strecken zu hören. Ansonsten wird die Glocke bei Katastrophen, zum Zusammenrufen von Mönchen oder zur Meditation geschlagen.

Zen Meditation

Zen Meditation 座禅

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Wenn du noch tiefer in die japanische Kultur eintauchen möchtest, kannst du an Wochenenden oder früh morgens an einer Zen-Meditation teilnehmen. Eine genaue Anleitung, wie das genau funktioniert, findest du hier.

Unterschied Tempel und Schreine

In Japan gilt eine einfache Regel: Im Schrein heiratest du, im Tempel wirst du beerdigt.

Nach deinem Tod wird deine Asche in einem Familiengrab neben einem Tempel beigesetzt. Meist stehen davor Jizo Statuen mit farbigen (meist roten) Mützchen oder Lätzchen, die untote Seelen in die Unterwelt bringen.


Hast du schon einmal an einem japanischen Tempel gebetet? Welcher Tempel hat sich am meisten beeindruckt? Lass mir doch einen Kommentar da!


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