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[JP] Die Schnee-Wanderung am Berg Kuratoyama 倉戸山

Schnee in Tokio? Das müssen wir unbedingt mit eigenen Augen sehen. Also packten wir spontan die Wanderausrüstung zusammen und begaben uns Richtung Wandergebiet Okutama 奥多摩, das nur eine kurze Zugfahrt vom Zentrum in der Präfektur Tokio liegt.  Mit dem Bus geht es zunächst zur Bushaltestelle Kuratoguchi 倉戸口, die direkt neben dem Okutama Staudamm liegt. Dort erwarten uns die ersten Schneemassen, die den Wanderweg in eine glizernde weiße Fläche verwandelt. Dann passieren wir die heiße Quelle Tsuru-no-Yu Onsen 鶴の湯温泉, deren Betreiber führte einen erbitterten Krieg gegen die Dammbauer.  Weiter oben treffen wir auf den Schrein Onsen-jinja, der mit Bau des Dammes errichtet worden ist. Auf steilen und rutschigen Wegen geht es hinauf zum Berg Kuratoyama 倉戸山. Oben wartet auf uns schöne Aussichten und völlige Einsamkeit, die wir glücklich genießen. Der abenteuerliche Abstieg führt uns durch unberührte Natur und über verwirrende Wegstrecken, bis wird an unserem Ziel der Quelle Onna-no-Yu 女の湯 ankommen, die der Anstoß des Onsen-Krieges ist. Im Anschluss fahren wir mit dem Bus zurück zur heißen Quelle und genießen das warme Bad.


Details
Distanz: 6,1 km
Dauer: 3.00/4.00 Stunden (ohne/mit Pausen)
Höhenmeter: 1169 m
Ansteigend: 628 m
Absteigend: 670 m
Schwierigkeitsgrad: ✭ ✭ ✭ ✩✩
Jahreszeit: Frühling-Herbst. (Winter nur mit Ausrüstung!)
Startpunkt: Bahnhof Okutama 奥多摩駅Oume Linie青梅線 -> Nishitokyo Bus → Bushaltestelle Kuratoguchi 倉戸口 バス停
Endpunkt: Bushaltestelle Onna-no-Yu 女の湯 バス停 → Bahnhof Okutama 奥多摩駅Oume Linie 青梅線
Fotos: 28. Januar 2016


Die Wanderung

Am Okutama Bahnhof angekommen, waren wir etwas von dem Gebäude überrascht. Es erinnert uns ein bisschen an ein altes Fachwerkhaus aus Deutschland. Direkt neben dem Gebäude entdecken wir den Schrein Tozan-jinja 登山神社.

Der ist dem Bergsteigen gewidmet. Hier beten die meisten Wanderer für eine sichere Besteigung. Auch wir lassen eine Münze dort, bevor wir die Straße überqueren.

An der Haltestelle Nr. 2 warten wir zusammen mit einer Oma auf den Bus Richtung Minedani 峯谷, der wenige Minuten später vorfährt. Wir steigen an der hinteren Tür ein, halten unsere Geldkarte (Suica) an das Touchfeld und setzen uns. Die Oma starrt uns an und fragt uns plötzlich, was wir den auf den Bergen wollen? Es liegt doch so viel Schnee! Wir tun so, als wenn wir die gute nicht verstehen. Irgendwann gibt sie auf. Die 17-minütige Busfahrt kostet 370 Yen. An der Haltestelle Kuratoguchi 倉戸口 バス停 steigen wir aus.

Als erstes fallen uns die Schneemassen am Wegrand auf. Wie es wohl auf dem Berg aussieht? Unter einem kleinen Busch können wir das erste Hinweisschild Kuratoyama 倉戸山 entdecken. Direkt darunter hängt ein kleines Schild in Japanisch, das uns vor Unfällen warnt. Wir nehmen uns fest vor, vorsichtig zu sein. Zunächst geht es die vereiste Straße hinauf. Nach ein paar Schritten können wir den Okutama-See und den Okutama-Staudamm überblicken.

Hinter dem See ragt der berühmte Berg Takanosu hervor. Wanderer besteigen ihn oft als Übungsberg für den Fuji, da er einen ähnlichen Höhenunterschied aufweist. In einer Kurve blicken wir dieses Mal Richtung Osten auf den Berg Gozenyama, den ich schon im letzten Jahr bestieg.

„Im Frühling kannst du auf dem Berg viele seltene Blumen entdecken und im Herbst Pilze suchen!“, erkläre ich meinem Begleiter, der zum ersten Mal in Okutama ist. Auf der linken Seite passieren wir die heiße Quelle Tsuru-no-Yu Onsen 鶴の湯温泉.

Schon seit mehr als 600 Jahren gibt es Onsens in Okutama und das Onsen Tsuru-no-Yu  鶴の湯温泉 ist eins der ältesten.  Doch nach dem Bau des Staudammes stieg der Wasserspiegel an und das Gebäude musste höher gelegt werden. Leider lag danach die heiße Quelle auf dem Boden des Sees, so dass das Wasser heraufgepumpt werden musste. Um die Unkosten der Verlegung des Gebäudes und das Hinaufpumpen stritten sich der Eigentümer des Onsens und die Bauer des Staudamms seit 1957. Im Jahre 1991 wurde nach einer Initiative der Dorfbewohner dem Onsen-Betreiber recht gegeben.  Endlich war der berühmte Onsen-Krieg vorbei!

Nach einigen Minuten stehen wir vor einer vereisten Treppe, die komplett mit Schnee überdeckt ist.

Mit Schrecken stellen wir fest, dass das der Eingang von unserem Wanderweg ist. Vorsichtig halten wir uns am Geländer fest und steigen die Stufen hinauf. Geschafft! Wir holen tief Luft und treffen auf den Schrein Onsen-jinja 温泉神社.

Dieser wurde zusammen mit dem Bau des Dammes errichtet. Vermutlich, um den Geist des Onsens zu beschwichten. ;) Kurz beten wir dort, dann ziehen wir weiter. Der Weg verwandelt sich in kurzer Zeit in einen rutschigen Pfad.

Orientierungshilfe bieten hier, die Spuren im Schnee, bunte Bänder an Bäumen und Schilder. An einigen Stellen ist es so glatt, so dass wir auf allen Vieren den Berg hinaufsteigen. Je höher wir steigen, desto tiefer wird der Schnee. Nach nur einer Stunde stehen wir endlich auf dem 1169 m Gipfel des Kuratoyama 倉戸山. Das Gipfelschild steckt im 30 cm Tiefschnee…

Doch dann bemerken wir die Aussicht. Begeistert genießen wir die ungestörte Aussicht auf die umliegenden Bergketten… Auf der linken Seite entdecken wir einen umgekippten Baumstumpf, auf dem wir uns setzen.

Wir strecken unsere Füße von uns und genießen die absolute Stille.

Die Vögel scheinen auch, fest zu schlafen. Es ist absolut still… Hoffentlich finden wir den Abstiegsweg! Etwas unsicher blicken wir in die Richtung, in die das Schild Richtung Minedani Houmen 峰谷 und Onna-no-Yu 女の湯 zeigt.

Dieses Mal gibt es keine Spuren im Schnee, die uns weiterhelfen. Mutig kämpfen wir uns durch den 30 cm Schnee.  Nach einer Weile fragen wir uns: Sind wir hier richtig? Seilen und Schilder an Bäumen stellen sicher, dass wir uns nicht ganz so verlaufen.

Irgendwann stehen wir vor einer besonders steilen Stelle, die weder mit Seilen oder mit Ketten gesichert ist. Vorsichtig hangeln wir uns von Baum zu Baum, um nicht abzustürzen. Plötzlich löst sich ein dicker Stein, der hinab donnert… Irgendwann hören wir ihn nicht mehr fallen. Der Schweiß steht uns auf der Stirn und unsere Herzen klopfen immer schneller. Schließlich klettern wir auf allen Vieren den Abhang hinab.

Nach 10 Minuten stehen wir endlich unten und werfen einen Blick zurück. Von unten sieht es deutlich leichter aus… Vielleicht sind wir einfach zu ängstlich? Ab hier treffen wir immer wieder auf Wildschwein-Spuren.

Es scheint fast so, als würde das Tier uns den Weg zeigen. Danke! Es geht über den Kamm weiter den Berg hinab. Am nächsten Wegweiser treffen wir endlich auf frische Menschen-Fuß-Spuren! Erleichtert folgen wir den Spuren, die uns über einen schmalen Weg führt, bis wir vor dem Stausee stehen.

Ab hier ist der Weg Schnee frei und wir gehen deutlich entspannter.

Schließlich erreichen wir die Landstraße 411 und überqueren diese. Auf der anderen Seite stoßen wir auf die Bushaltestelle Onna-no-Yu 女の湯 und die Quelle Onna-no-Yu 女の湯.

Hier wird das Wasser vom Grund des Sees heraufgepumpt und zum Onsen Tsuru-no-Yu  鶴の湯温泉 abtransportiert. Erwartungsvoll halten wir unsere Hände in die Quelle und stellen fest, dass es ganz kalt ist… Enttäuscht putzen wir unsere Hände an den Hosen ab und stellen uns an die Bushaltestelle. In dem Moment schießt der Bus um die Ecke, und wir steigen müde ein. Wer möchte, kann an der Haltestelle Kuratoguchi 倉戸口 aussteigen und zum Onsen Tsuru-no-Yu  鶴の湯温泉 zurück gehen. ;)

Fazit: Die Wanderung ist ideal für Winter-Anfänger, die eine absolut unberührte Natur genießen wollen. Du solltest aber die passende Ausrüstung (Garmaschen, Stöcker, GPS und Grödel) mitbringen! In den anderen Jahreszeiten ist dies eine schöne ruhige Wanderstrecke!

Wegweiser:
Bushaltestelle Kuratoguchi 倉戸口 バス停 → Kuratoyama 倉戸山 → Minedani Houmen 峰谷方面 → Bushaltestelle Onna-no-Yu  女の湯 バス停

Nützliche Schriftzeichen:
Berg Kuratoyama 倉戸山
Bushaltestelle Kuratoguchi basutei 倉戸口バス停
Richtung Minedani Houmen 峰谷方面
Bushaltestelle Onna-no-Yu basutei 女の湯バス停
Bushaltestelle Basutei バス停
Bahnhof Eki 駅
Rechts Migi 右
Links Hidari 左


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6 Kommentare

  • Corinna Outdoormädchen

    Ui, Du hast aber auch tolle Fotos gemacht! Der Takanosu sieht wirklich wunderschön aus :D

    Lese gern immer wieder von Deinen Touren!

    Liebe Grüße aus dem fast frühlingshaften Deutschland (mittlerweile liegt leider kaum mehr Schnee),
    Corinna

  • Isabelle

    Liebe Tessa,
    ich habe gerade deine Seite gefunden, du bist ja unglaublich !
    Ich komme beruflich oft , aber leider kurz nach Japan und gehe gern wandern ( …Jetlag-geplagt ;-) ).
    Meine Japanischkenntnisse erarbeite ich mir gerade und deine ausführlichen Beschreibungen helfen ja ungemein !!
    Gleich setze ich mich in den Flieger und morgen mittag genieße ich Tokyo :-)
    Die Schneewanderung am Kuratoyama ist ausgedruckt und die Thermoskanne im Tagesrucksack. Super !!!
    Vielen herzlichen Dank, Isa

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